​Jessica Rosenthal, SPD

1. Kindergrundsicherung

Zentrale Forderung des RTKA zur Bekämpfung von Kinderarmut ist die Einführung einer Kindergrundsicherung, deren Höhe die Lebenshaltungskosten (inklusive sozio-kulturelles Existenzminimum) eines Kindes bzw. Jugendlichen umfassend absichert. Sie soll so gestaltet sein, dass der Empfang von Grundsicherung nach SGB II damit überflüssig wird.

Was ist das Konzept Ihrer Partei zum Thema Kindergrundsicherung? Wie stehen Sie dazu?

Das Konzept zur Kindergrundsicherung, welches wir als SPD im Wahlprogramm verankert haben, besteht aus zwei Säulen. Zum einen wollen wir allen Kindern kostenfreie Bildung ermöglichen. Das bedeutet, dass auch Kita und Ganztagsbetreuung beitragsfrei sein sollen. Darüber hinaus wollen wir eine gute, soziale Infrastruktur für Kinder schaffen, aber auch an anderen Stellen Entlastung schaffen, etwa durch kostenfreien Nahverkehr für Kinder und Jugendliche.

Die Grundsicherung wollen wir verbessern. Menschen in Grundsicherung sollen nicht zu Bittsteller:innen degradiert werden. Deshalb schaffen wir sinnlose und entwürdigende Sanktionen ab. Die Höhe der Grundsicherung wollen wir erhöhen, damit ein auskömmliches Leben möglich ist und die Neuanschaffung einer Winterjacke oder eine kaputte Waschmaschine nicht zur untragbaren Last werden. Damit niemand nach Verlust des Jobs in finanzielle Nöte kommt, verlängern wir die Bezugsdauer vom Arbeitslosengeld I und überprüfen in den ersten zwei Jahren weder Vermögen noch Wohnungsgröße.

Damit Kinder unabhängig vom Einkommen der Eltern gut aufwachsen können führen wir ein bedarfsorientiertes Kindergeld ein, welches nach Einkommen gestaffelt ist. So sollen Familien mit hohem Unterstützungsbedarf auch ein hohes Kindergeld erhalten, damit der finanzielle Hintergrund von Familien nicht über die Chancen eines jeden Kindes entscheiden. Der Basisbetrag der Kindergrundsicherung soll 250 Euro betragen und der Höchstbetrag wird anhand der Ausgaben von Familien mit mittleren Einkommen festgelegt, soll aber mindestens doppelt so hoch sein wie der Basisbetrag. Damit sind Kinder umfassend abgesichert.

Ich halte das für ein sehr tragfähiges Konzept und bin fest entschlossen, gemeinsam mit der SPD Familien finanziell besser auszustatten.


2. Teilhabe junger Menschen

Der Runde Tisch gegen Kinder- und Familienarmut (RTKA) spricht sich in seinem Forderungspapier für einen umfassenden Ausbau der Teilhabe junger Menschen als Teil der Daseinsvorsorge und – fürsorge aus.

Welche Maßnahmen zur Stärkung der Teilhabe junger Menschen wollen Sie durchsetzen, wenn Sie Mitglied des Bundestages werden?

Ich möchte mich für eine stärkere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf allen politischen Ebenen stark machen. Auch deshalb wollen wir einen Jugendcheck für politische Maßnahmen. In Bonn kämpfen wir als SPD vor Ort schon lange für eine bessere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, weil wir davon überzeugt sind, dass die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen gleichberechtigt in der Politik gehört werden müssen. Deswegen werden wir als SPD auch das Wahlrecht auf 16 Jahre absenken. Als Bundesvorsitzende des Jungendverbandes der SPD, den Jusos, aber auch aus meiner Perspektive als Lehrerin, ist mir die Beteiligung junger Menschen in demokratischen Prozessen extrem wichtig.

3. Kommunalfinanzen

Ob Schule, Jugendhilfe, Sozialwesen oder Freizeitangebote – für die Bereitstellung und Finanzierung dieser sozialen Infrastruktur sind in erster Linie die Kommunen verantwortlich. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist nicht ausreichend, um die nötige soziale Infrastruktur allen jungen Menschen zugänglich zu machen und weiter zu entwickeln.

Wie wollen Sie das ändern? Wo sehen Sie einen besonderen Handlungsbedarf?

Die Kommunen sind aufgrund hoher Altschulden oft in finanzieller Not. Das darf nicht sein. Wir haben bereits in der aktuellen Wahlperiode dafür gekämpft, über einen Altschuldenfonds Entlastung für die Kommunen zu schaffen. Das ist leider am Widerstand der CDU und CSU gescheitert. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass hier der Druck aus den kommunalen Kassen genommen wird. Gleichzeitig müssen wir die finanzielle Ausstattung der Kommunen verbessern und für Aufgaben, die die Kommunen übernehmen sollen, auch die entsprechenden Finanzmittel zur Verfügung stellen. Wir werden massiv in in unser Bildungssystem investieren. Denn Investitionen in die Bildung von Kindern und Jugendlichen sind unverzichtbar, damit jeder und jede das Leben führen kann, was er oder sie sich wünscht. Mehr Geld für unsere Schulen ist damit eine der großen Zukunftsinvestitionen, die wir anpacken werden. Dabei müssen die Mittel vor allem dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Das werden wir durch zusätzliche Sozialkriterien bei der Förderung durch den Bund sicherstellen. Wir werden massiv in die digitale Infrastruktur in den Schulen investieren, aber auch in moderne Gebäude, in denen sich niemand vor der Schultoilette ekeln muss. Alle Schüler:innen soll ein digitales Endgerät zur Verfügung gestellt werden.

4. Förderung der Ausbildung

Der RTKA spricht sich dafür aus, die unterstützenden Beträge (Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe) für sich in Ausbildung oder Studium befindliche junge Menschen so zu erhöhen, dass eine Konzentration auf das Studium oder die Ausbildung möglich ist.

Wie stehen Sie dazu? Welche Maßnahmen würden Sie ergreifen?

Wir wollen das BAföG deutlich ausbauen und stärken. Gleichzeitig wollen wir jungen Menschen in Ausbildung das Kindergeld direkt auszahlen. Damit wird das BAföG elternunabhängiger. Grundsätzlich wollen wir die Fördersätze des BaföGs anheben und dafür sorgen, dass man es nicht mehr zurückzahlen muss. Außerdem sollten es mehr Menschen beziehen können und die Altersgrenzen fallen. Für all das setzen wir uns ein, denn nicht der Kontostand der Eltern darf darüber entscheiden, ob man sich für ein Studium entscheidet.  Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass viel zu viele Studierende auf Nebenjobs angewiesen sind, um ihr Studium finanzieren zu können. Das wollen wir ändern.  Und damit jeder Mensch eine gute Ausbildung erhält, führen wir eine Ausbildungsplatzgarantie ein.

5. Bezahlbarer Wohnraum

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist ein zentrales Problem unserer Städte. Wie kann für einkommensschwache Familien und junge Menschen preiswerter Wohnraum geschaffen werden?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die BImA ihre Wohnungen wieder in einem bewohnbaren Zustand versetzt und diese für den kommunalen Wohnungsmarkt frei gibt?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Bund als einer der größten Arbeitgeber in Bonn Wohnungen für seine Bediensteten schafft und damit den Wohnungsmarkt entlastet?

​Die wirksamste Maßnahme gegen steigende Mieten ist Bauen. Wir werden daher pro Jahr 400.000 Wohnungen bauen, davon 100.000 sozial geförderte. Um bis dahin dem überhitzten Wohnungsmarkt eine Atempause zu verschaffen, werden wir in angespannten Wohnlagen einen Mietenstopp verhängen, damit die Mieten nicht weiter unkontrolliert in die Höhe schnellen. Gleichzeitig werden wir die Mietpreisbremse weiter stärken und entfristen sowie Eigenbedarfskündigungen stärker regulieren.

Hier in Bonn haben wir lange dafür gekämpft, dass die BImA die Verwaltung ihrer Wohnungen wieder selbst in die Hand nimmt und nicht an private Unternehmen auslagert. Das ist uns gelungen. Jetzt müssen wir alles daran setzen, diese Wohnungen wieder für den kommunalen Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Denn Wohnraum in öffentlicher Hand ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen hohe Mieten und Wohnungsnot. Gleiches gilt für Dienstwohnung. Hier sehen wir nicht nur den Bund in der Pflicht, sondern wollen auch auf allen Ebenen bei den großen Bonner Unternehmen dafür werben, Wohnungen für Mitarbeitende zu bauen.


6. Bewältigung der Corona-Folgen

Besonders für junge Menschen sind die in der Corona-Krise notwendigen Beschränkungen eine enorme Belastung. Unsere Bildungsinfrastruktur ist nicht auf eine solche Krise ausgelegt. Familien, die bisher schon in Armut lebten oder von ihr bedroht sind, verlieren immer mehr den Anschluss an die soziale Teilhabe.

Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um unsere Kitas, Schulen, Jugendeinrichtungen usw. für die Bewältigung der Pandemie auch für die Zukunft fit zu machen? Wo sehen Sie einen besonderen Handlungsbedarf?

Aufgabe der Jugendförderung muss die noch stärkere Vernetzung der Angebote zwischen Schulen, Vereinen, Jugendeinrichtungen, sozialen Institutionen und Betrieben, der Nutzung aller Möglichkeiten des Stadtteils sein. Hier besteht noch erhebliches Ausbaupotenzial! Sport- und Kultur-Angebote können die viel zu häufig existierende Trennung von sozialen Schichten in der Stadt überwinden helfen und eine bessere Teilhabe ermöglichen. Die Arbeit der Jugendverbände muss auf hohem Niveau gefördert und endlich entbürokratisiert werden! Ich möchte, dass es in Bonn selbstverständlich wird, dass alle gesellschaftlichen Akteure Mitverantwortung für optimale Bildungs- und Entwicklungschancen aller Kinder übernehmen.

7. Psycho-soziale Gesundheit von jungen Menschen

Durch die Corona-Pandemie und ihrer sozialen Folgen ist die Zahl der psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen und damit familiäre Probleme in unserer Gesellschaft nochmals erheblich gestiegen. Dieses Thema wird uns noch lange beschäftigen.

Wie kann zukünftig (auch über die jetzige Corona-Krise hinaus) die psycho-soziale Gesundheit und Versorgung von Kindern und Jugendlichen und deren Familien gewährleistet werden?

Mit dem Aufholpaket haben wir bereits 2 Milliarden Euro noch in dieser Wahlperiode für Angebote zur Sicherung der psycho-sozialen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gegen den Widerstand der Union durchgesetzt, damit die psychischen Folgen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche aufgefangen werden. Diesen Weg werden wir weitergehen. Gemeinsam mit der SPD möchte ich die Schulsozialarbeit ausbauen. Wir werden ein Bundesprogramm für Schulsozialarbeit auflegen und durch den Bund finanzierte Chancenhelfer für jede Schule fördern. So können wir erreichen, dass der Bildungserfolg nicht alleinig am Elternhaus hängt und die psycho-soziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sicherstellen und die Folgen der Pandemie auffangen.