Alexander Graf Lambsdorff, FDP


1. Kindergrundsicherung

Zentrale Forderung des RTKA zur Bekämpfung von Kinderarmut ist die Einführung einer Kindergrundsicherung, deren Höhe die Lebenshaltungskosten (inklusive sozio-kulturelles Existenzminimum) eines Kindes bzw. Jugendlichen umfassend absichert. Sie soll so gestaltet sein, dass der Empfang von Grundsicherung nach SGB II damit überflüssig wird.

Was ist das Konzept Ihrer Partei zum Thema Kindergrundsicherung? Wie stehen Sie dazu?

Derzeit bringt der Bund jährlich rund 200 Milliarden Euro für verschiedene Familienleistungen auf. Doch das System gilt als kompliziert und bürokratisch. Einige Leistungen rufen Familien gar nicht ab, obwohl sie dazu berechtigt wären. Durch die steuerlichen Freibeträge werden Familien mit höherem Einkommen bislang stärker entlastet als einkommensschwache Familien durch Kindergeld und Kinderzuschlag.

Das wollen wir ändern und gezielt die Familien fördern, die mit dieser Förderung ihren Kindern die Chancen eröffnen können, die jedem Kind zustehen. 

Die Freien Demokraten setzen deswegen für die Bündelung der familienpolitischen Leistungen in einem „Kinderchancengeld“ ein (siehe https://www.fdp.de/fdp-will-der-kinderarmut-mit-kinderchancengeld-begegnen). Konkret fordern wir, das Kindergeld, den Kinderzuschlag und das Bildungs- und Teilhabepaket zusammenzufassen. Künftig soll es dann einen monatlichen Basisbetrag von 200 Euro pro Kind geben, einen Flexibetrag von maximal 200 Euro, der sich nach dem Einkommen der Eltern bemisst und vom Höchstbetrag bis zu einem Elterneinkommen von 3500 Euro stetig absinkt, sowie ein Chancenpaket von 50 Euro für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen. Hier geht es um „nicht materielle“ Leistungen wie Schulessen, Nachhilfe, Sprach- und Leseförderung oder Musikunterricht.

Nach Berechnungen des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung für die FDP, würde das Modell rund drei bis vier Milliarden Euro an Mehrkosten verursachen. Profitieren würden Familien mit mittleren und niedrigeren Einkommen. Bei einem Elterneinkommen von 80.000 Euro und mehr ergeben sich demnach durch das Kinderchancengeld keine Veränderungen zum aktuellen Status quo.


2. Teilhabe junger Menschen

Der Runde Tisch gegen Kinder- und Familienarmut (RTKA) spricht sich in seinem Forderungspapier für einen umfassenden Ausbau der Teilhabe junger Menschen als Teil der Daseinsvorsorge und – fürsorge aus.

Welche Maßnahmen zur Stärkung der Teilhabe junger Menschen wollen Sie durchsetzen, wenn Sie Mitglied des Bundestages werden?

Um die politische Teilhabe junger Menschen zu stärken fordern wir Freie Demokraten eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Europäischen Parlament. Junge Menschen nehmen bereits in vielen Lebensbereichen Verantwortung wahr, werden aber von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Dabei sind sie diejenigen, die am längsten von politischen Entscheidungen beeinflusst werden und für uns wäre das Wahlrecht ab 16 gelebte Generationengerechtigkeit.

Mit dem Kinderchancengeld setzen sich die Freien Demokraten für eine Bündelung familienpolitischer Leistungen ein. Eine Säule des Kinderchancengeldes macht das Chancenpaket für Kinder aus Familien mit geringen Einkommen aus. Hier sollen Kindern und Jugendlichen mit „nicht materiellen“ Leistungen wie Schulessen, Sprach- und Leseförderung oder Musikunterricht gefördert werden können. Profitieren würden Familien mit mittleren und niedrigeren Einkommen.

Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestagt hat sich zudem an Gesprächen über eine Grundgesetzänderung zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz konstruktiv beteiligt und einen eigenen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht (BT-Drs. 19/28440). Eine Neuregelung sollte Kinder als Grundrechtsträger ins Zentrum stellen und nicht nur den staatlichen Schutzauftrag und eine Pflicht zur Förderung über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinaus noch einmal einseitig betonen. Zudem sollte das Kindeswohl bei allen staatlichen Entscheidungen, die es unmittelbar betrifft, „besonders“ berücksichtigt werden. Wichtig ist uns auch, dass Kinder in Verfahren, die sie selbst betreffen, entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife angehört werden müssen.


3. Kommunalfinanzen

Ob Schule, Jugendhilfe, Sozialwesen oder Freizeitangebote – für die Bereitstellung und Finanzierung dieser sozialen Infrastruktur sind in erster Linie die Kommunen verantwortlich. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist nicht ausreichend, um die nötige soziale Infrastruktur allen jungen Menschen zugänglich zu machen und weiter zu entwickeln.

Wie wollen Sie das ändern? Wo sehen Sie einen besonderen Handlungsbedarf?

Wir Freie Demokraten wollen die Finanzierung der Kommunen auf eine neue Grundlage stellen, damit sie ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen können. Hierzu gehören lebenswerte Quartiere, die den Bedürfnissen aller Generationen gerecht werden. Wir treten für eine Reform der Gemeindefinanzen ein. Dabei soll die Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer ersetzt werden. Zudem wollen wir ein echtes Konnexitätsprinzip im Grundgesetz verankern. Wenn Bund und Länder neue Aufgaben schaffen, müssen sie diese auch bezahlen.

Des Weiteren sind wir Freie Demokraten offen für eine Entschuldung besonders überlasteter Kommunen, die aus eigener Kraft keine finanzielle Perspektive haben. Dies würde in diesen Kommunen neue Handlungsspielräume verschaffen, damit der Ausbau- und Sanierungsstau bei den öffentlichen Infrastrukturen beseitigt werden kann.

Zudem setzen wir in den Kommunen auf Aufklärung, auf Arbeit im Quartiersmanagement und auf direkte Arbeit mit den Familien, wenn ausreichend finanzielle Mittel durch Förderprogramme vorhanden sind, diese aber bisher nicht abgerufen wurden.


4. Förderung der Ausbildung

Der RTKA spricht sich dafür aus, die unterstützenden Beträge (Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe) für sich in Ausbildung oder Studium befindliche junge Menschen so zu erhöhen, dass eine Konzentration auf das Studium oder die Ausbildung möglich ist.

Wie stehen Sie dazu? Welche Maßnahmen würden Sie ergreifen?

Wir Freien Demokraten setzen uns für den Umbau des BAföG zu einer elternunabhängigen Studienfinanzierung ein. Dazu haben wir bereits einen entsprechenden Antrag in den Bundestag (BT-Drs. 19/29427) eingebracht. Das BAföG hat „seinen Glanz als Bildungsaufstiegsgesetz“ verloren. Es erreicht nach Studien nur noch etwa elf Prozent der Studierenden. Während der Corona-Pandemie haben ca. 40 Prozent der Studierenden ihren Nebenjob verloren und stünden vor großen finanziellen Nöten – das BAföG hat die meisten Studierenden in dieser Not jedoch nicht aufgefangen. Wir als FDP halten daher eine grundlegende Reform für dringend notwendig.

Konkret schlagen wir vor, bereits ab dem Wintersemester 2021/2022 allen Studierenden die Möglichkeit zur Beantragung eines flexiblen, zinsfreien BAföG-Darlehens zu geben. Die maximale Höhe des monatlichen Darlehens soll laut Antrag bei 1.000 Euro liegen. Vorgesehen ist die einkommensabhängige Rückzahlung nach bestehenden Regelungen zur Rückführung „erst und nur dann“, wenn nach dem Studium ausreichend Einkommen zur Verfügung steht.

Ab dem Sommersemester 2022 sieht unser Vorschlag dann die Umgestaltung des BAföG zu einer elternunabhängigen Studienförderung vor. Allen volljährigen Studierenden solle – unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern – dann eine pauschale monatliche Förderung als Vollzuschuss gezahlt werden. Dieser „BAföG-Sockel“ solle während der Zeit des Studiums und maximal bis zum Ende des 25. Lebensjahres gewährt werden und müsse nicht zurückgezahlt werden, schreiben die Abgeordnete. Dafür entfalle die elterliche Unterhaltspflicht: Der Bafög-Sockel ersetze den elterlichen Anspruch auf Kindergeld beziehungsweise Kinderfreibetrag, heißt es im Antrag. Studierende, die neben ihrem Studium ein Ehrenamt oder einen Nebenjob ausüben, sollen nach dem Willen der FDP weitere 200 Euro als rückzahlungsfreien Vollzuschuss erhalten.

Mittelfristig solle schließlich ein gemeinsames System der Ausbildungsförderung für alle Formen der schulischen, beruflichen und lebenslangen Ausbildung angestrebt werden.


5. Bezahlbarer Wohnraum

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist ein zentrales Problem unserer Städte. Wie kann für einkommensschwache Familien und junge Menschen preiswerter Wohnraum geschaffen werden?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die BImA ihre Wohnungen wieder in einem bewohnbaren Zustand versetzt und diese für den kommunalen Wohnungsmarkt frei gibt?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Bund als einer der größten Arbeitgeber in Bonn Wohnungen für seine Bediensteten schafft und damit den Wohnungsmarkt entlastet?

Wir Freie Demokraten wollen für Menschen mit niedrigem Einkommen einen echten Zugang zu günstigem Wohnraum schaffen. Dazu muss sich die soziale Wohnraumversorgung an der potentiellen Mieterin beziehungsweise am potentiellen Mieter und nicht nur am Bau von neuen Sozialwohnungen orientieren. Wir wollen zahlungsschwachen Wohnungssuchenden den Zugang zum freien Wohnungsmarkt mithilfe des Wohngeldes erleichtern. Erst wenn dort die Wohnungssuche erfolglos bleibt, soll die Berechtigung auf Bezug einer Sozialwohnung erteilt werden.

Wir Freie Demokraten setzen uns zudem dafür ein, dass Planen und Bauen endlich günstiger und schneller möglich wird, ohne dass dabei die Baukultur aus dem Blick verliert wird. Denn Wohnungsmangel kann man nicht wegregulieren, wir müssen ihn beheben. Wir Freien Demokraten erachten es für notwendig, dass Bauland aktiviert wird, beispielsweise durch eine stärkere Zusammenarbeit der Länder mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Möglichkeiten zur Abschreibung für Wohnungsbauinvestitionen möchten wir verbessern. Die lineare Abschreibung muss von zwei auf drei Prozent erhöht werden.

Wir Freie Demokraten fordern einen Baukosten-TÜV, der alle neuen Gesetze, Vorschriften und Normen auf ihre Auswirkungen bezüglich der Wohnkosten prüft. Gerade die Energievorschriften dürfen nicht ständig verschärft werden. Auch Musterbau- und Stellplatzverordnung müssen modernisiert und weiterentwickelt werden. Alle Baunormen müssen auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft und wo immer möglich entschlackt werden. Wir wollen zudem die Genehmigungsverfahren vor dem Bauen beschleunigen. Eine Vereinheitlichung der Landesbauordnungen könnte außerdem die großen Einsparpotentiale des seriellen und modularen Bauens in der Breite ermöglichen.


6. Bewältigung der Corona-Folgen

Besonders für junge Menschen sind die in der Corona-Krise notwendigen Beschränkungen eine enorme Belastung. Unsere Bildungsinfrastruktur ist nicht auf eine solche Krise ausgelegt. Familien, die bisher schon in Armut lebten oder von ihr bedroht sind, verlieren immer mehr den Anschluss an die soziale Teilhabe.

Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um unsere Kitas, Schulen, Jugendeinrichtungen usw. für die Bewältigung der Pandemie auch für die Zukunft fit zu machen? Wo sehen Sie einen besonderen Handlungsbedarf?

Wir Freie Demokraten wollen verhindern, dass Kinder und Jugendliche zum Verlierer dieser Pandemie werden. Deshalb hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag eine Initiative eingebracht, in der sie konkrete Lernstandserhebungen und ein Chancenaufholprogramm fordert (BT-Drs.-19/27808). Dabei geht es nicht nur um Unterrichtsstoff, sondern auch um die Entwicklung von Sprache und Persönlichkeit. Kurzfristig soll die Unterstützung durch studentische Lern-Buddys Lernverluste abfedern. Um die Corona-Defizite auszugleichen brauchen wir aber vor allem langfristige Lösungen und Konzepte. Dazu sollen die Lernrückstände und Kompetenzverluste verlässlich und systematisch erhoben werden. Mit diesem Wissen wollen wir ein Chancen-Aufholprogramm aufsetzen, das Schülerinnen und Schüler bestmöglich fördert.

Wir setzen uns auch dafür ein, dass in Bildungseinrichtungen zusätzliches psychologisches und pädagogisches Personal digital und physisch sowie während und nach der Corona-Pandemie zur Verfügung steht, um negative Folgen der Corona-Krise zu erkennen und professionell aufzuarbeiten. Hierzu hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag eine Initiative eingebracht (BT-Drs. 19/27810).

Um die Zukunftschancen junger Menschen nicht noch mehr aufs Spiel zu setzen, gilt es nun auch unmittelbar dafür zu sorgen, dass es nicht erneut zu allgemeinen Schulschließungen kommt. Der Bund und die Länder müssen fortan garantieren, dass der Unterricht wieder flächendeckend stattfindet. Die kurzfristige Ausstattung aller Klassenräume mit wirksamen Luftfilteranlagen ist dafür dringend notwendig. Etwaige bürokratische Hürden bei der Beantragung von Fördermitteln müssen abgebaut werden, damit die Mittel zeitnah bei allen Schulen ankommen.

Wir Freie Demokraten wollen zudem Kitas finanziell stärken, indem wir ihre Finanzierung auf drei Säulen stellen: einen Sockelbetrag entsprechend der Größe der Einrichtung, Bildungsgutscheine, die pro Kind einen Zuschuss gewähren, und einen „German Dream“-Zuschuss für Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status. Bei der Umstellung der Finanzierung der Schulen, Kindergärten und Kitas auf Bildungsgutscheine gewährt der Staat für jedes Kind Grundfinanzierungsbeiträge. Staatliche, kommunale und Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft erhalten pro Kind den gleichen Betrag, damit die Eltern nicht nur die freie Wahl zwischen verschiedenen öffentlichen Angeboten, sondern auch zwischen öffentlichen und freien Trägern haben. Der Gegenwert der Gutscheine kann sich nach Lebensalter, zeitlichem Umfang der wöchentlichen Betreuung sowie bei besonderem pädagogischen Betreuungsbedarf unterscheiden. So entsteht ein transparenter Qualitätswettbewerb um die besten Bildungsleistungen.

Die Öffnungszeiten der Kindertagesstätten wollen wir flexibilisieren und so Eltern mehr Flexibilität ermöglichen. Hierzu brauchen wir mehr Notfallangebote über Nacht und am Wochenende sowie 24-Stunden-Kitas. Für uns ist klar, dass längere Öffnungszeiten nur mit mehr Personal machbar sind. Eine Verlängerung der Betreuungszeiten auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darf es nicht geben.


7. Psycho-soziale Gesundheit von jungen Menschen

Durch die Corona-Pandemie und ihrer sozialen Folgen ist die Zahl der psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen und damit familiäre Probleme in unserer Gesellschaft nochmals erheblich gestiegen. Dieses Thema wird uns noch lange beschäftigen.

Wie kann zukünftig (auch über die jetzige Corona-Krise hinaus) die psycho-soziale Gesundheit und Versorgung von Kindern und Jugendlichen und deren Familien gewährleistet werden?

Wir Freie Demokraten sind der Ansicht, dass die psychischen Folgen der Pandemie von der Bundesregierung zu spät in den Blick genommen wurden. Wir wollen die Wartezeiten auf einen Therapieplatz reduzieren, den Ausbau von Therapieplätzen fördern, Prävention und Aufklärung stärken sowie die Ausbildung der psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten weiterentwickeln. Die Anzahl der Kassensitze für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wollen wir deutlich erhöhen. Ebenso wollen wir mehr Studienplätze für Psychologie und Psychotherapie schaffen. Schulpsychologische Beratungsangebote wollen wir ausbauen. Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag hat mit dem Antrag „Zeitnahe psychotherapeutische Versorgung während der COVID-19-Pandemie sicherstellen“ (BT-Drs. 19/19416) bereits im Mai 2020 Maßnahmen gefordert, um den Zugang zu erleichtern und Wartezeiten zu verkürzen.

Um die physische und psychische Gesundheit insbesondere von Kindern und Jugendlichen in den Blick zu nehmen, hat die Fraktion der Freien Demokraten eine Initiative eingebracht. Hiermit setzt sich die Fraktion dafür ein, dass in Bildungseinrichtungen zusätzliches psychologisches und pädagogisches Personal digital und physisch sowie während und nach der Corona-Pandemie zur Verfügung steht, um negative Folgen der Corona-Krise zu erkennen und professionell aufzuarbeiten (BT-Drs. 19/27810).