Am 01.07.2024 wurden die verantwortlichen Landespolitiker:innen angeschrieben (hier Brief zum Download) mit dem Ziel eine Verbesserung der Situation in den Landesunterkünften zu erwirken.
Oberbürgermeisterin Katja Dörner
Ich danke Ihnen herzlich für Ihr Schreiben vom 01. Juli 2024, in dem Sie auf die Situation in den
Bonner Landesunterkünften hinweisen und Maßnahmen für den Schutz der Kinder und Jugendli-
chen fordern.
Der seit Jahren bestehende Zustrom von Geflüchteten ist nicht nur für die Länder, Kommunen und Gesellschaft, sondern insbesondere auch für die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, eine große
Herausforderung. Dabei ermöglicht eine sichere, gesunde und menschenwürdige Unterkunft allen
Schutzsuchenden, sich sicher zu fühlen und die oft traumatischen Erlebnissen der Flucht besser zu
verarbeiten. Gleichzeitig ist eine angemessene Lebensumgebung auch die Grundlage für eine po-
sitive Entwicklung und Integration. Es ist mir ein großes Anliegen, dies bei unseren städtischen
Unterkünften bestmöglich sicherzustellen.
Da die Unterbringung von Geflüchteten in den Landesunterkünften dem Land NRW obliegt, gehe
ich davon aus, dass Sie von der dort zuständigen Stelle eine Rückmeldung auf Ihr Schreiben erhal-
ten werden.
Ich danke Ihnen für Ihr großes Engagement und dass Sie sich für die Belange der Kinder und Ju-
gendlichen, die besonders schutzbedürftig sind, einsetzen.
Dr. Thomas Wilk, Regierungspräsident
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 01.07.2024, um dessen Beantwortung mich der Regierungspräsident Dr. Wilk gebeten hat.
Die Unterbringung von Geflüchteten und speziell von Familien und Kindern stellt eine Herausforderung dar, bei der die besonderen Interessen und Bedürfnisse der Familien und Kinder in Einklang mit den tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten vor Ort gebracht werden müssen. Das Land und die Kommunen stehen hierbei vor der Aufgabe, Obdachlosigkeit zu vermeiden und die Geflüchteten menschenwürdig und unter Beachtung der von Ihnen genannten Vorschriften unterzubringen. Dies ist insbesondere in Zeiten hoher Zuzugszahlen von Geflüchteten eine besondere Herausforderung.
Das Landesgewaltschutzkonzept trägt den besonderen Interessen und Bedürfnissen der Geflüchteten Rechnung und soll eine familien- und kindgerechte Unterbringung gewährleisten, weshalb die Umsetzung des Landesgewaltschutzkonzeptes grundsätzlich in jeder Einrichtung — auch in den Landesunterkünften in Bonn — höchste Priorität genießt. Die Vorgaben finden bei allen Um- und Ausbauprojekten sowie im laufenden Betrieb Anwendung. Sie binden nicht nur die Bezirksregierungen, sondern auch allé in den Landesunterkünften eingesetzten Dienstleister. Die Umsetzung des Landesgewattschutzkonzepts wird von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort sowie durch Mobile Kontrollteams regelmäßig kontrolliert. Den Geflüchteten steht vor Ort in jeder Unterkunft auch ein Beschwerdemanagement zur Verfügung, um Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
Unterbringung von Familien in der EAE Bonn
Betreffend die Verweildauer von Personen in der EAE Bonn ist es zutreffend, dass die Unterbringungsdauer der Geflüchteten in der Regel 2
Nur im Ausnahmefall sind Personen länger als 4 Wochen in der EAE untergebracht, weil beispielweise der Verdacht auf eine Tuberkulose-Erkrankung vorliegt.
Zur konkreten Unterbringung von Familien, Kindern und alleinreisenden
Frauen in der EAE Bonn kann ich Ihnen mitteilen, dass alleinreisende Frauen ausschließlich in einem separierten Flur bzw. einem separaten Gebäudeteil nur für Frauen untergebracht werden. Der Flur dieses Frauenbereichs ist mit mehreren Notrufklingetn gesichert, welche bei Betätigung direkt den Sicherheitsdienst alarmieren. Familien werden ebenfalls ausschließlich in separaten Familienfluren untergebracht. Hierbei erhält jede Familie grundsätzlich ein eigenes Zimmer.
Aufgrund der baulichen Gegebenheiten der EAE Bonn befinden sich die Sanitäreinrichtungen in Containern im Hof der Einrichtung, wobei auch hier ein separater Bereich im Erdgeschoss nur für Frauen zur Verfügung steht.
In der EAE Bonn findet zudem an Werktagen morgens und nachmittags eine Kinderbetreuung statt, sodass die Kinder auch bei behördlichen Terminen der Eltern betreut werden können.
Außerdem finden zweimal wöchentlich Deutschkurse für Kinder und Jugendliche statt.
Unterbringung von Familien in der ZUE Bonn
Familien dürfen in einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) nicht länger als sechs Monaten untergebracht werden. In vielen Fällen gelingt es, die Geflüchteten deutlich schneller den Kommunen zuzuweisen. In dieser Zeit finden auch — jedenfalls unter der Gruppe der Familien — nur in seltenen Fällen Abschiebungen statt, dann in der Zuständigkeit der Zentralen Ausländerbehörde Köln. Es handelt sich bei der ZUE Bonn auch nicht um eine Einrichtung, in der in besonderem Maße Geflüchtete mit schlechter Bleibeperspektive untergebracht werden. Für alle Geflüchteten und auch die Familien gibt es auch in der ZUE Beratungsund Unterstützungsangebote.
Während ihres Aufenthaltes in der ZUE gibt es durchaus Möglichkeiten zum Rückzug und zur Erholung. Familien — wie auch alleinreisende Frauen — werden grundsätzlich in nur für diese Personengruppe bestimmten Gebäudetrakten untergebracht. Es wird außerdem besonders darauf geachtet, dass Familien unter sich in eigenen Zimmern untergebracht werden, gerade um den Bedürfnissen nach Privatsphäre gerecht zu werden.
In der Unterkunft wird ein breites Angebot an Aktivitäten für Frauen, 3 Kinder und Jugendliche vorgehalten. Neben einem Frauencafé und einem Jugendcafé gibt es einen Bewegungsraum, in dem u.a. das KiTaähnliche Bildungsangebot veranstaltet wird. Es gibt weiterhin eine Vielzahl von Aufenthaltsräumen und Sportangeboten, z.B. ein Fußballund ein Volleyballfeld, Tischtennisplatten, einen Basketballkorb sowie einen Sandkasten. Im Zuge der zurzeit erfolgenden Erweiterung hat die Bezirksregierung darauf geachtet, das Angebot an Sozialräumen deutlich auszuweiten. So ist u.a. geplant, einen neuen Spielplatz sowie einen Bibliotheks- und Ruheraum einzurichten.
Außerdem gibt es eine Vielzahl von weiteren Angeboten. Neben einer Fahrradwerkstadt und einem Fahrradtraining werden den untergebrachten Kindern in unregelmäßigen Abständen Ausflüge ermöglicht, zum Beispiel auf den Drachenfels oder in den Kölner Zoo, oder Sonderaktionen mit Kooperationspartnern veranstaltet.
Im Rahmen des Schulnahen Bildungsangebotes sind insgesamt fünf Lehrkräfte in Vollzeit in der ZUE beschäftigt. Auch für dieses Angebot, das die Kinder auf den Besuch einer Regelschule vorbereitet, gibt das Land Qualitätsstandards vor. Der Schwerpunkt des Angebots liegt in der Vermittlung der deutschen Sprache und bei Bedarf bei der
Alphabetisierung. Besonders durch die Förderung der deutschen Sprache erhalten die Kinder und Jugendlichen eine wichtige Unterstützung, um sich in der für sie noch neuen Umgebung besser zu orientieren und miteinander zu kommunizieren. Ihnen werden zudem Kenntnisse in Mathematik, in Gesellschaftslehre und in Natuwissenschaften vermittelt. Die Unterrichtsinhalte und Rahmenbedingungen beruhen auf einem pädagogischen Konzept des Ministeriums für Schule und Bildung.
Im Rahmen des KiTa-ähnlichen Angebotes werden drei Vollzeitkräfte eingesetzt. Neben der Sprachentwicklung legen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hierbei auch auf das Thema Ernährung großen Wert und frühstücken beispielsweise gemeinsam mit den Kindern.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Jessica Rosenthal, MdB SPD-Fraktion
Karin Langer, Kandidatin Volt
Karin Langer, Kandidatin Volt: „Herzlichen Dank für die ausführliche Ausführung der Forderungen im Namen der Menschenrechte. Ich kann Ihnen versichern, dass ich sämtliche Forderungen vollumfänglich unterstütze!“
NRW Staatssekretär Lorenz Bahr
Staatsekretär Lorenz Bahr, Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen:
Sehr geehrte Frau Al-Barghouthi,
für Ihr Schreiben vom 01.07.2024 zur Situation von Kindern und Jugendlichen in den Landesaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete danke ich Ihnen. Ich wurde gebeten, Ihnen zu antworten.
Bezüglich der konkreten Situation in den angesprochenen Einrichtungen, der Erstaufnahmeeinrichtung und der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Bonn, hat Ihnen die Bezirksregierung Köln bereits mit Schreiben vom 18. Juli inhaltlich umfassend geantwortet.
Gerne möchte ich im Folgenden aber noch auf ein paar weitere von Ihnen angesprochene Aspekte eingehen.
Auch mir sind die angemessene und gute Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen sowie deren Familien ein großes Anliegen. Ich kann Ihnen versichern, dass sowohl die Mitarbeitenden meines Hauses als auch die Mitarbeitenden vor Ort hierfür täglich mit Hochdruck arbeiten.
Angesichts der hohen Zugangszahlen aus den letzten Monaten geht es bei der Unterbringung zwar immer auch um die Vermeidung von Obdachlosigkeit. Dennoch wird auch in Zeiten hoher Belegung auf eine dem Landesgewaltschutz entsprechende Unterbringung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Familien geachtet. Aktuell ist mein Haus mit der Aktualisierung des Landesgewaltschutzkonzepts befasst. Hierbei ist auch geplant, einen verstärkten Fokus auf die Belange der Kinder und Jugendlichen zu richten.
Sie sprechen in Ihrem Schreiben auch die Tatsache an, dass die Dienstleistungsaufträge in den Aufnahmeeinrichtungen über ein europaweites Ausschreibungsverfahren vergeben werden. Dies geschieht auf Grund zwingender gesetzlicher Verpflichtung. Bei der Vergabe werden jedoch neben dem Preis noch weitere, die Qualität der Leistung in den Blick nehmende Wertungskriterien berücksichtigt.
Hierdurch ist gewährleistet, dass nicht das günstigste sondern das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhält. Die Leistungsbeschreibung enthält jeweils detaillierte Vorgaben, die zur Sicherstellung der Standards in den Aufnahmeeinrichtungen beitragen.
Mir ist bewusst, dass die aktuelle Situation auf ganz unterschiedliche Art und Weise sehr herausfordernd ist, weshalb ich mich ganz herzlich für Ihr Engagement im Bereich der Unterbringung von geflüchteten Kindern- und Jugendlichen und der Versorgung und Betreuung von Geflüchteten bedanken möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Lorenz Bah
Julia Höller, MdL Fraktion Bündnis 90/Grüne
Dr. Julia Höller MdL, stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sprecherin für Innenpolitik Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag NRW:
„Vielen Dank für Ihren Offenen Brief bzgl. der Situation von Kindern und Jugendlichen in Landesunterkünften. Die Situation in den Unterkünften erfüllt auch uns mit Sorge. Als Grüne betrachten wir Kinderschutz als eines unserer Kernthemen und sind Ihnen daher für Ihre Anstrengungen in dem Bereich sehr dankbar. Umso bedrückender ist es, von den prekären Zuständen zu hören und zu lesen, die in den Landesunterkünften herrschen.
Viele Ihrer Forderungen und konkreten Punkte wurden bereits im Schreiben des MKJFGFI sowie der Bezirksregierung Köln aufgegriffen.
Grundsätzlich sehe ich die Landesunterkünfte nicht als einen Ort an, der sich als langfristiger Aufenthaltsort für Kinder oder Jugendliche eignet. Sie können lediglich eine Übergangslösung zum Schutz vor Wohnungslosigkeit sein. Selbstverständlich ist es das Ziel, dass die Unterbringung dort nur vorübergehend ist.
Durch das Konstrukt der Landesunterkünfte sind die Geflüchteten während ihres Aufenthalts keiner Kommune zugewiesen und sind dadurch in ihrem Zugang zu Beratungs- und Betreuungsangeboten eingeschränkt.
Dies betrifft einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten, innerhalb dessen die Familien mit Minderjährigen einer Kommune zugewiesen werden sollen. Leider ist dies derweil aufgrund von langwierigen Verwaltungsabläufen der Zeitraum, der überbrückt werden muss. Wir sind uns darüber bewusst, dass der Zeitraum sehr lang ist und sehen die Problematik.
Die schnelle Integration der Kinder in die Schulen ist ein wichtiges Ziel. Die sofortige Schulpflicht der geflüchteten Kinder und Jugendlichen birgt aus unserer Sicht allerdings auch einige Problematiken. So besteht die Gefahr, dass Kinder sich in Schulklassen einleben, aus denen sie binnen weniger Wochen wieder rausgerissen werden. Trotzdem hat eine schnelle Beschulung der Kinder höchste Priorität. Unser Fokus liegt deshalb auf einer schnelleren Zuweisung in die Kommunen, ab der dann die reguläre Schulpflicht greift.
Besonders erschreckend sind die von Ihnen angesprochenen Einschüchterungen durch das Sicherheitspersonal. Solche Vorfälle sind nicht akzeptabel und müssen beleuchtet und aufgearbeitet werden. Falls darüber konkrete Details bekannt sind, möchte wir Sie bitten, uns diese mitzuteilen, sodass ich diese an den Sprecher für Migration und Flucht der Grünen Landtagsfraktion Benjamin Rauer, umgehend weiterleiten kann.
Als Grüne Landtagsfraktion werden wir dem Thema „Kinderschutz von geflüchteten Kindern und Jugendlichen“ 2025 parlamentarisch weitergehend in Form eine Anhörung bearbeiten.“
Franziska Müller-Rech, MdL FDP-Fraktion im Landtag NRW
Franziska Müller-Rech, MdL FDP-Fraktion im Landtag NRW: Vielen Dank für Ihren Brief zur Situation von Kindern und Jugendlichen in Landesunterkünften. Ich schätze die Arbeit des Runden Tisches gegen Kinder- und Familienarmut sehr. Gerne nehme ich im Folgenden zu Ihren Forderungen Stellung.
Es ist sinnvoll, sich an den gesetzlichen Vorgaben in § 47 AsylG zu orientieren, wonach die Dauer der Wohnverpflichtung von minderjährigen Asylsuchenden und ihren Eltern auf sechs (und nicht auf drei) Monate beschränkt ist. Eine frühere Zuweisung an die Kommunen würde diese noch mehr überfordern, um Unterbringung und Kinderbetreuung bzw. Schulunterricht zu organisieren. Zudem sollten Familien, bei denen eine zeitnahe Ausreise bzw. Rückführung zu erwarten ist, nicht auf die Kommunen verteilt werden.
Kinder und Jugendliche erhalten in den zentralen Unterbringungseinrichtungen ein schulnahes Bildungsangebot, das auf den Besuch einer Regelschule vorbereiten soll. Der Unterricht wird durch Lehrkräfte des Landes durchgeführt. Der Schwerpunkt des Unterrichts liegt in der Vermittlung der deutschen Sprache und bei Bedarf der Alphabetisierung. Der Unterricht vermittelt außerdem Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in Mathematik, in Gesellschaftslehre und in Naturwissenschaften. Die reguläre Schulpflicht kann hingegen erst nach Zuweisung an die Kommunen greifen. Dies ist so auch in § 10 Abs. 3 des Teilhabe- und Integrationsgesetzes vorgegeben, das mit den Stimmen aller demokratischen Fraktionen beschlossen wurde.
Eine europaweite Ausschreibung der Leistungsvergabe für die Betreuung in den Unterkünften ist schon allein aus wirtschaftlichen Gründen für das Land sinnvoll. Eine Unterbringung in den Landeseinrichtungen ist sicher mit Unannehmlichkeiten für die Betroffenen verbunden, aber zeitlich begrenzt und im Hinblick auf eine geordnete Migrationspolitik sowie zur Entlastung der Kommunen erforderlich.
Als Reaktion auf die Antworten von Regierungspräsident Dr. Wilk (s.o.) und Staatssekretär Bahr (s.o.) formulierte der Runde Tisch gegen Kinder- und Familienarmut (RTKA) mit Datum vom 18.12.2024 ein Antwortschreiben an Regierungspräsident Dr. Wilk sowie ein inhaltsgleiches Antwortschreiben an Staatssekretär Bahr. Hier finden Sie die Reaktion von Staatssekretär Bahr vom 20.01.2025.